vom 27.7.2016 auf die Aufsichtsbeschwerde vom 27.7.2015
Bezirkshauptmannschaft Bregenz
Marktgemeinde Bezau
Auskunft: Ing. Mag. Dietmar Ender T +43 5574 4951 52050
Zahl: BHBR-I-3100.04-2015/0002-4
Bregenz, am 27.07.2016
Betreff: Aufsichtsbeschwerde zur Beschlussfassung zu TOP 8 der Gemeindevertretungssitzung vom 06.07.2015
Bezug: Aufsichtsbeschwerde von Gottfried Winkel vom 27.07.2015
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit Email vom 27.07.2015 hat Herr Gottfried Winkel bei der Bezirkshauptmannschaft Bregenz eine Aufsichtsbeschwerde eingebracht. Darin brachte er zusammengefasst vor, dass in der Gemeindevertretungssitzung der Marktgemeinde Bezau vom 06.07.2015 der von seiner Fraktion mit Antrag auf die Tagesordnung gebrachte Gegenstand [„Grundgeschäft „Betreutes Wohnen“ – Beratung und Beschlussfassung über die Rückforderung von ca. 35.000 Euro von der Verkäufer Familie Fröwis (Abschlussbericht Landespolizeidirektion Vorarlberg 10.06.2014“)], nicht ordnungsgemäß behandelt worden sei. Erklärend führte er dazu aus, dass der Bürgermeister bei Behandlung dieses Tagesordnungspunktes als Erster das Wort ergriffen, ebenfalls einen Antrag gestellt und dann darüber abstimmen lassen und erst danach der antragstellenden Fraktion, zu der auch der Beschwerdeführer gehöre, das Wort erteilt habe. Grundsätzlich müsse die Behandlung eines so beantragten Tagesordnungspunktes doch so erfolgen, dass eine Berichterstattung durch die Gemeindevertreter zu erfolgen habe, welche das Verlangen dazu eingebracht haben. In der Folge habe der Bürgermeister über den vom Beschwerdeführer gestellten Antrag nicht mehr abstimmen lassen.
Diese Beschwerde wurde der Marktgemeinde Bezau zur Gegenäußerung übermittelt. Mit Schreiben vom 12.08.2015 hat diese dazu Stellung genommen und den Sachverhalt entsprechend den Ausführungen des Beschwerdeführers geschildert, jedoch führte sie noch aus, dass die antragstellende Fraktion vor Abstimmung über den vom Bürgermeister gestellten Antrag schon zu Wort gekommen sei.
Aus dem vom Beschwerdeführer übermittelten Auszug aus der Niederschrift der betreffenden Gemeindevertretungssitzung und der Stellungnahme der Marktgemeinde Bezau kann entnommen werden, dass der Antrag des Bürgermeisters („Die Entscheidung der Delegierten des Gemeindeverbandes Sozialzentrum Bezau, betreffend Haus- und Grundkauf „Betreutes Wohnen“, werden seitens der Gemeindevertretung Bezau für gut und richtig befunden. Die Marktgemeinde Bezau sieht daher keinerlei Veranlassung, Rückforderungen an den Gemeindeverband Sozialzentrum Bezau zu stellen“) mit einer Stimmenmehrheit von 15:3 angenommen wurde sowie, dass über den nachfolgenden Antrag des Beschwerdeführers („Der Bürgermeister wird beauftragt, mit der Verkäufer-Familie Fröwis Gespräche über die Rückzahlung von 35.000 Euro zu führen, bevor weitere rechtliche Schritte eingeleitet werden“) kein Beschluss mehr erfolgte.
Mit Schreiben vom 08.06.2016 stellte der Beschwerdeführer einen Devolutionsantrag bezüglich der bei der Bezirkshauptmannschaft Bregenz eingebrachten Aufsichtsbeschwerde. Dieser Antrag wurde von der Vorarlberger Landesregierung mit Bescheid vom 17.06.2016 wegen fehlender Antragslegitimation zurückgewiesen.
Nach Maßgabe des bekannt gegebenen Sachverhalts sowie der Stellungnahme der Marktgemeinde Bezau kommt die Bezirkshauptmannschaft Bregenz als Aufsichtsbehörde nach erfolgter Prüfung zu der Auffassung, dass keine Verstöße gegen das Gemeindegesetz (GG), LGBl. Nr. 40/1985 i.d.g.F., vorliegen und der Beschwerde aus nachstehenden Gründen keine rechtliche Berechtigung zukommt:
1) Zur Erörterung des Antrags gemäß § 38 Abs. 2 GG:
Gemäß § 41 Abs. 2 GG ist der Bürgermeister verpflichtet, einen in den Wirkungsbereich der Gemeindevertretung fallenden Gegenstand in die Tagesordnung der nächsten Sitzung aufzunehmen, wenn dies von mindestens drei Gemeindevertretern spätestens eine Woche vor der Sitzung schriftlich verlangt wird.
Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, dass Mitglieder der Gemeindevertretung, die beantragt haben, einen Gegenstand auf die Tagesordnung zu setzen, zwecks Berichterstattung zuerst das Wort dazu ergreifen können müssten, findet sich keine dies anordnende Bestimmung im GG. Zusätzlich können die betreffenden Mitglieder der Gemeindevertretung auch selbst bestimmen, wie ausführlich sie ihr schriftliches Verlangen auf Aufnahme eines Gegenstandes auf die Tagesordnung gestalten wollen, um die anderen Gemeindevertretungsmitglieder darüber schon vorab zu informieren.
Weiters ist in § 38 Abs. 2 GG zwar geregelt, dass die Mitglieder der Gemeindevertretung berechtigt sind, in der Gemeindevertretung Anträge zu stellen und zu den einzelnen Verhandlungsgegenständen das Wort zu ergreifen. Aber auch hier ist nirgends festgehalten, dass das Gemeindevertretungsmitglied, das einen Gegenstand auf die Tagesordnung gebracht hat, als erstes dazu das Wort ergreifen können muss. Dass der Beschwerdeführer danach gemäß § 38
Abs. 2 GG jedenfalls noch die Möglichkeit erhalten hat, seine Ansicht zum Verhandlungs- gegenstand zu äußern, ergibt sich aus dem von ihm vorgelegten Auszug aus der Niederschrift der Gemeindevertretungssitzung vom 06.07.2015 sowie ebenfalls aus seiner Aufsichtsbeschwerde.
Abschließend zu diesem Themenbereich ist noch zu erwähnen, dass gemäß § 48 Abs. 1 GG der Bürgermeister den Vorsitz in der Gemeindevertretung zu führen hat. Er hat die Sitzungen zu eröffnen, zu leiten und zu schließen. Auch hat er jederzeit das Recht das Wort zu ergreifen.
Zusammenfassend ist daher aus Sicht der Aufsichtsbehörde kein Fehlverhalten des Vorsitzenden zu erkennen, wenn dieser zu einem Tagesordnungspunkt als Erster das Wort ergreift und diesen kurz erläutert. Ebenfalls gibt es keine Bestimmung im GG, welche vorsieht, dass – einzelne oder alle – Gemeindevertretungsmitglieder, welche beantragt haben, einen Gegenstand auf die Tagesordnung zu setzen, sich dazu zuerst äußern und Bericht erstatten müssen. Weiters haben die einbringenden Mitglieder die Möglichkeit, sich bereits im schriftlichen Verlangen einen Gegenstand auf die Tagesordnung zu setzen, umfassend dazu zu äußern. Schließlich hatte der Beschwerdeführer im gegenständlichen Fall auch noch die Möglichkeit seine Ansicht zum Tagesordnungspunkt darzulegen.
2) Zur Abstimmung über den Antrag gemäß § 38 Abs. 2 GG:
Wie bereits erwähnt, ist in § 38 Abs. 2 GG festgehalten, dass die Mitglieder der Gemeinde- vertretung u.a. berechtigt sind, in der Gemeindevertretung Anträge zu stellen.
In § 49 GG wird die Behandlung von Anträgen in Gemeindevertretungssitzungen erläutert, in Abs. 2 finden sich spezielle Ausführungen zur Bestimmung der Reihenfolge. Dort wird nun festgelegt, dass über weiter gehende Anträge stets vor den weniger weit gehenden abzustimmen ist. Im Streitfalle hat der Vorsitzende zu entscheiden, welcher Antrag als weiter gehend anzusehen ist.
In Häusler/Müller (Hrsg), Das Vorarlberger Gemeindegesetz5, § 49 S 127 (2015), wird dazu ausgeführt, dass der weiter gehende Antrag – je nach Natur der Sache – beispielsweise derjenige sein wird, mit dem eine höhere Leistung gewährt, ein Mehr an Rechten eingeräumt, von einer bestehenden Regelung weiter abgewichen oder ein höheres Maß an Pflichten auferlegt wird. Weiters, dass die Reihenfolge wegen der Frage der Konsumtion von Anträgen von Bedeutung ist. Wenn nämlich ein Antrag angenommen wurde, der einen anderen Antrag thematisch einschließt, dann ist – weil damit das Thema erledigt ist – über den eingeschlossenen Antrag nicht mehr abzustimmen. Er ist somit gewissermaßen konsumiert.
Bezüglich des zweiten Vorbringens, der Bürgermeister habe über den vom Beschwerdeführer gestellten Antrag nicht mehr abstimmen lassen, ist nun auszuführen, dass im gegenständlichen Fall der Verhandlungsgegenstand auf der Tagesordnung „Grundgeschäft „Betreutes Wohnen“ – Beratung und Beschlussfassung über die Rückforderung von ca. 35.000 Euro von der Verkäufer- Familie Fröwis (Abschlussbericht Landespolizeidirektion Vorarlberg 10.06.2014)“ lautete. Die Aufsichtsbehörde hegt keine Bedenken, dass der oben erwähnte Antrag des Bürgermeisters, gerade nicht in Verhandlungen über eine eventuelle Rückforderung einer bestimmten Summe zu treten, den in diesem Sinne weiter gehenden Antrag darstellt. In der Folge geht der Antrag des Bürgermeisters, als der weiter gehende, dem des Beschwerdeführers in der Reihenfolge der Abstimmung vor. Auch ist noch zu erwähnen, dass es dem Vorsitzenden obliegt, bei Unstimmigkeiten zu entscheiden, welcher Antrag als weiter gehend anzusehen ist.
Gemäß dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Auszug aus der Niederschrift über die betreffende Gemeindevertretungssitzung wurde der Antrag des Bürgermeisters mit 15:3 Stimmen angenommen. Da der Antrag des Bürgermeisters den Antrag des Beschwerdeführers thematisch miteingeschlossen hat und diesen somit konsumiert hat, war nach Annahme des ersten Antrags über den Antrag des Beschwerdeführers nicht mehr abzustimmen.
Zusammenfassend hat sich daher die Beschwerde von Herrn Gottfried Winkel als nicht berechtigt erwiesen und die Aufsichtsbehörde erblickt auch unter dem Gesichtspunkt des § 81 Abs. 4 GG, wonach auf die Ausübung des Aufsichtsrechtes außer im Fall des § 91 GG niemandem ein Rechtsanspruch zusteht, kein Erfordernis zu weiteren aufsichtsbehördlichen Maßnahmen.
Mit freundlichen Grüßen
Der Bezirkshauptmann
im Auftrag
Mag. Dietmar Ender
Nachrichtlich an:
Herrn Gottfried Winkel