Prüfung einer etwaigen Verletzung der Verschwiegenheitspflicht
Eine Umwidmung in Bezau
Bezirkshauptmannschaft Bregenz
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Marktgemeinde Bezau
z.H. des Bürgermeisters
Platz 375
6870 Bezau
E-Mail: gemeinde@bezau.cnv.at
Auskunft:
Mag. Rainer Honsig-Erlenburg
T +43 5574 4951 52050
Zahl: BHBR-I-3100.04-1/2018-1
Bregenz, am 19.06.2018
Betreff: Erledigung Gottfried Winkel – Prüfung einer etwaigen Verletzung der Verschwiegenheitspflicht – „Geh- und Fahrrecht“
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
zunächst möchten wir uns für die verspätete Erledigung entschuldigen. Inhaltlich führt die Bezirkshauptmannschaft Bregenz als Aufsichtsbehörde in der ggst. Angelegenheit Folgendes aus:
Sachverhalt:
Bürgermeister Gerhard Steurer ersucht die Aufsichtsbehörde um Prüfung einer etwaigen Verletzung der Vertraulichkeit durch den Gemeindevertreter Gottfried Winkel.
Er sehe sich gemäß § 78 StPO verpflichtet, der Aufsichtsbehörde ein mögliches Vergehen in Bezug auf die Verletzung der Vertraulichkeit gemäß § 59 Abs 1 GG („Die Beratung ist vertraulich.“) durch den Gemeindevertreter Gottfried Winkel aufzuzeigen.
Es sei ihm ein Auszug aus der Homepage von Gottfried und Hilde Winkel übermittelt worden, in welchem der Tagesordnungspunkt 3 des Protokolls der 20. Sitzung des Gemeindevorstandes vom 02.11.2016 wörtlich und in voller Länge zitiert worden sei. Es handle sich dabei um die Protokollierung einer Beratung, die gemäß § 59 GG vertraulich zu behandeln sei.
Der Tagesordnungspunkt 3 dieses Protokolls des Gemeindevorstandes lautet:
„3. Grundteilungsantrag Gst 868/1 EZ 1345 KG Bezau
Es soll hinterfragt werden, ob das landwirtschaftliche Geh- und Fahrrecht für GST 868/1 ausreichend ist. Der Gemeindevorstand ist der Meinung, dass ein uneingeschränktes Geh- und Fahrrecht eingeräumt werden soll.“
Dieser Absatz wurde auf der Homepage des Gottfried Winkel http://www.bezaubernde.info/ eine-umwidmung-in-bezau-.html wortwörtlich so veröffentlicht.
Rechtliche Beurteilung:
§ 59 des Vorarlberger Gemeindegesetzes (in weiterer Folge GG) lautet auszugsweise:
(1) Der Gemeindevorstand hat seine Beschlüsse unter dem Vorsitz des Bürgermeisters in nichtöffentlichen Sitzungen zu fassen. Die Beratung ist vertraulich. Den Sitzungen können erforderlichenfalls Sachverständige und Auskunftspersonen mit beratender Stimme beigezogen werden.
(2) (…)
(3) Über die Beschlüsse des Gemeindevorstandes ist eine Verhandlungsschrift zu führen, die vom Vorsitzenden und vom Schriftführer zu unterfertigen ist. Die Einsicht in die Verhandlungsschrift steht jedem Gemeindevertreter offen. Allen Parteifraktionen ist auf ihr Verlangen eine Kopie der Verhandlungsschrift zu übermitteln.
(…)
Gem. § 59 Abs 1 GG ist die Beratung bei nichtöffentlichen Sitzungen vertraulich.
Somit stellt sich einleitend die Frage, ob die von Herrn Winkel veröffentlichten Aussagen eine Beratung – und somit per Gesetz als vertraulich erklärt – oder ein Beschluss ist und somit den Gemeindevertretern zugänglich ist.
Die Begriffe „Beratung“ und „Beschluss“ bezeichnen zwei Abschnitte der Geschäftsbehandlung in den Sitzungen. Die „Beratung“ umfasst dem Gemeindegesetz zufolge die Debatte, der „Beschluss“ umfasst hingegen das Ergebnis der Abstimmung.
Eine Beratung ist somit jener Vorgang, der schlussendlich zum Beschluss führt. Sie stellt einen Dialog dar, in dem ein Tagesordnungspunkt erörtert wird, die Vor- und Nachteile diskutiert werden und entsprechend der dem Gegenstand innewohnenden Interessen gewichtet wird. Der hieraus resultierende Beschluss stellt den Abschluss dieses Prozesses dar. Ein Beschluss beinhaltet typischerweise eine klare Aussage wie weiter verfahren wird, ob ein Vorschlag angenommen wird und welche Aktionen gesetzt werden sollen.
Vor diesem Hintergrund ist die Aussage „Der Gemeindevorstand ist der Meinung, dass ein uneingeschränktes Geh- und Fahrrecht eingeräumt werden soll.“ zweifelsohne als Beschluss zu werten, da er in keiner Weise die vorangegangene Beratung wiedergibt oder auch nur andeutet.
Dieser Satz stellt eindeutig einen Beschluss dar und ist sohin nicht durch das Gemeindegesetz für vertraulich erklärt und allen Gemeindevertretern gem. § 59 GG zugänglich.
Gemäß § 99 Abs 1 lit f GG ist von der Bezirkshauptmannschaft mit einer Geldstrafe zu bestrafen, wer ua die in § 59 Abs 1 vorgeschriebene Vertraulichkeit verletzt.
Da der ggst. Beschluss jedoch nicht vertraulich ist, kann die Vertraulichkeit nicht verletzt werden. Es liegt somit kein Straftatbestand nach § 99 Abs 1 lit f GG vor.
Gemäß § 99 Abs 1 lit e GG ist von der Bezirkshauptmannschaft mit einer Geldstrafe zu bestrafen, wer die Amtsverschwiegenheit gemäß § 29 Abs. 1 verletzt.
Amtsgeheimnisse sind Tatsachen, die ein Geheimnis sind, die dem Täter durch amtliche Tätigkeit bekannt werden und auf die sich die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit erstreckt. Ein Geheimnis ist ein Umstand, der nicht allgemein bekannt und nicht allgemein zugänglich ist. Das GG legt in Anlehnung an Art 20 Abs 3 B-VG fest, dass die mit der Gemeindeverwaltung betrauten Organe zur Verschwiegenheit über alle ihnen ausschließlich aus ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen verpflichtet sind, deren Geheimhaltung im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung, der auswärtigen Beziehungen, im wirtschaftlichen Interesse einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, zur Vorbereitung einer Entscheidung oder im überwiegenden Interesse der Parteien geboten ist.
Von den oben genannten Interessen kommt im ggst Fall denkmöglich nur das „überwiegende Interesse der Parteien“ in Betracht. Es ist nicht ersichtlich, wie ein solches Interesse durch den Beschluß „Der Gemeindevorstand ist der Meinung, dass ein uneingeschränktes Geh- und Fahrrecht (Anm.: auf dem besagten Gst.) eingeräumt werden soll.“ beeinträchtigt werden kann. Dieser Beschluß stellt eine einseitige Willenserklärung dar, die keine Rechtsfolgen nach sich zieht. Damit auf dem fraglichen Grundstück tatsächlich eine (erweiterte) Dienstbarkeit zustande kommt, müsste noch ein zivilrechtlicher Dienstbarkeitsvertrag zwischen dem Dienstbarkeitsnehmer und dem Dienstbarkeitsgeber abgeschlossen werden. Der ggst Beschluss kann somit keine unmittelbare Wirksamkeit haben und keine Vorwegnahme des noch zu schließenden Rechtsgeschäfts darstellen. Somit kann aber auch kein überwiegendes Interesse einer Partei verletzt werden.
Ein weiteres Indiz für das nicht Vorliegen eines von der Amtsverschwiegenheit geschützten Geheimnisses ist die obige Prüfung, welche zu der Conclusio gelangt, dass der hier relevante Beschluß nicht vertraulich ist und somit in weiterer Folge einem erweiterten Personenkreis zugänglich ist.
Somit liegt auch kein Verstoß gegen die Amtsverschwiegenheit und in weiterer Folge auch kein Straftatbestand nach § 99 Abs 1 lit e GG vor.
Mit freundlichen Grüßen
Der Bezirkshauptmann
im Auftrag
Mag. Rainer Honsig-Erlenburg
Nachrichtlich an:
Herrn
Gottfried Winkel
E-Mail: gottfried.winkel@aon.at